Die Fachleute sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Welt der vorgeschichtlichen Menschen in Südosteuropa „eingeschossig“ war. Jetzt zeigt sich aber, dass die Baumeister auch in der Lage waren „höhere“ Häuser zu errichten. Bis 1999 konnten in Südosteuropa nur spärliche Reste von zweigeschossigen Gebäuden aus dem Chalkolithikum (d. h. 5. Jahrtausend v. Chr.) nachgewiesen werden.
Im Sommer 1999 konnten schließlich zum ersten Mal Spuren von zwei neolithischen zweigeschossigen Häusern aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. in Thrakien festgestellt werden. Dieser Fund wurde auf der Ausgrabung der österreichisch-bulgarischen Expedition am Tell (Siedlungshügel) von Karanovo gemacht. Das Haus, das an den Anfang des Spätneolithikums (Karanovo III-Kultur) datiert werden kann, ist durch ein Feuer zerstört worden, wodurch sich die Hausreste erhalten haben. Dabei dienen sowohl die außerordentliche Anzahl der Innenpfostenlöcher als auch die ungewöhnliche Position des Ofens als Nachweise für die Existenz eines zweiten Geschosses.
Im selben Jahr konnten bei Sondagenuntersuchungen am Tell Kapitan Dimitrievo ebenfalls Reste einer massiven Gebäudearchitektur festgestellt werden. Die verbrannten Hausreste lagen fast auf dem gewachsenen Boden in einer Schicht der frühneolithischen Karanovo I – Kultur. Auf dem Lehmboden des Gebäudes befindet sich in situ ein Ofenpodest, worauf sich Spuren eines weiteren, leider nicht mehr erhaltenen Ofenpodests befinden. Die detaillierte Analyse der Position dieser Ofenreste erlaubt die Hypothese, dass der zweite Ofen in einem oberen Geschoss stand. Obwohl die zusammengetragenen Daten für zweigeschossige Bauten im thrakischen Neolithikum immer noch relativ spärlich sind, eröffnen sie neue Wege zur Erforschung der neolithischen Architektur.