Die Spätbronze- und Eisenzeit in Kaukasien ist eine Zeit der kulturellen Blüte. Reich ausgestattete Grabfunde, Metalldeponierungen, Siedlungen und Produktionswerkstätten geben Auskunft über die Lebenswelt der prähistorischen Gruppen nördlich und südlich der Hochgebirgskette des Großen Kaukasus.
In der russischen Forschung wird dieser Kulturraum traditionell der Koban Kultur im Norden und der Kolchis Kultur im Südwesten zugewiesen. Beide Kulturen sind einander sehr ähnlich und wurden in der Forschung auch lange als ein zusammengehöriger Kulturraum angesehen. Er stand neben einem zweiten, vergleichbaren Kulturraum in Ost- und Südgeorgien, Armenien und Azerbeidžan. Nach einer Periode der Differenzierung der spätbronze- und eisenzeitlichen Kulturen in kleinere territoriale Einheiten, wie sie seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts vor allem durch Forscherpersönlichkeiten wie E.I. Krupnov, V.I. Kozenkova, D. Koridze oder T. Mikeladze vertreten wurden, setzt sich in jüngere Zeit langsam wieder die Einsicht durch, dass die verschiedenen Regionalgruppen im Nord- und Westkaukasus doch Teil eines größeren Ganzen sind.
Unterschiedliche archäologische Phänomene erlauben es im Analogieschluss zu primordialen Gesellschaften lokale Identitäten und überregionale Kommunikationsstrukturen zu erschließen, die Grundlage von solchen archäologischen Kulturen oder Kulturräumen sein können. Die Verbreitung von (Grab)Trachten, Begräbnissitten und bestimmten Formen der materiellen Kultur geben Hinweise auf regionale kulturelle Spezifika und lokale Identitäten. Die Ethnographie weist die Wahrnehmbarkeit solcher Identitäten und die scharfe Grenzziehung zu benachbarten Gruppen als besondere Charakteristika von Bevölkerungen aus, die in Gebirgsregionen siedeln. Entsprechende Grenzen finden sich auch im archäologischen Material des Kaukasus immer wieder. Dennoch existieren parallel dazu Elemente, die mehreren Gruppen gemein sind, die als Exporte, Kultur- oder Materialtransfer zu werten sind. Methodisch stellt sich demzufolge die Frage, auf welcher Ebene man die archäologischen Kulturen dieser Region definieren soll, wo ihre Territorialgrenzen zu ziehen sind und wo überregionale Kommunikationsstrukturen beginnen.
Als zweiter Schwerpunkt soll mit diesem Beitrag der Frage nachgegangen werden, in welchem Verhältnis die Gruppen der vorskythischen Epoche zum Schwarzmeerraum standen. Zu nahezu allen Zeiten existieren Kontakte in die Räume nördlich des Schwarzen Meeres. In der Eisenzeit sind es hauptsächlich die immer wieder mit reiternomadischen Kimmeriern in Verbindung gebrachten Prunkwaffen und Pferdeschirrungen, die solche Kontakte belegen. Sie finden sich zwischen Kaukasus und Karpatenbecken in nahezu identischer Form wieder und wurden lange Zeit als Hinweise auf die Raubzüge dieser Reiternomaden gedeutet. Andere Autoren sehen in ihnen hingegen Zeichen einer lang anhaltenden, gegenseitigen kulturellen Beeinflussung, in der kaukasische Reiterkrieger langsam zum militärischen Vorbild der nordpontischen und osteuropäischen Eliten wurden. Aus kaukasischer Perspektive zeigt sich, dass die Objekte in der Tat Elemente eines Austauschsystems zwischen den lokalen Regionalgruppen im nordkaukasischen Vorgebirge waren, in die auch weitere Regionen in der eurasischen Steppen- und Waldsteppenzone eingebunden waren. Diesem Austauschsystem steht ein anderes gegenüber, das die Gruppen im Hochgebirge und im westlichen Transkaukasien verbindet. Auch dieses System ist in den pontischen Raum eingebunden, wie etwa der Hortfund von Ordu oder die vermutlich kolchische Keramik an der Südküste des Schwarzen Meeres zeigen. Zu fragen wird sein, in wie weit der Schwarzmeerraum jenseits des östlichen Teilabschnitts, der durch das kaukasische Gebirge eingenommen wird, Impulsgeber oder Impulsnehmer war, und auf welcher Ebene die kulturellen Kontakte stattfanden.